2.3.2
Reanimation |
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Reanimation
bedeutet Wiederbelebung. Eine Reanimation kann notwendig werden, weil entweder
ein Kreislaufstillstand oder ein Atemstillstand (seltener) oder häufig
beides zugleich vorliegt. Kreislaufstillstand bedeutet, dass ein zur Aufrechterhaltung
des Lebens erforderlicher Minimalkreislauf nicht mehr besteht, gleichgültig,
ob seine Ursache ein Herzstillstand (Asystolie) oder ein Kammerflimmern
ist. |
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Definition |
Die Diagnose des Herz-Kreislauf-
und/oder Atemstillstands wird klinisch gestellt:
• Bewusstlosigkeit,
• Pulslosigkeit (A.
carotis, A. radialis oder femoralis),
• keine oder nur unzureichende
Spontanatmung,
• Pupillenerweiterung,
• keine Spontanbewegungen,
• grau-fahle oder
zyanotische Hautfarbe,
• Reflexlosigkeit. |
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Diagnose |
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Merke: Das Ziel der
Reanimation besteht darin, dass durch äußere (externe) Herzmassage
ein Minimalkreislauf erzeugt und gleichzeitig eine ausreichende Beatmung
durchgeführt wird. |
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Kommt es zu einer plötzlichen
Unterbrechung des Blutkreislaufs, so tritt innerhalb von 5-10 Sekunden
Schwindel auf. Nach 10 Sekunden erlischt das Bewusstsein, nach ca. einer
halben Minute beginnen generalisierte Krämpfe. Atemstillstand tritt
nach mehreren Zügen von Schnappatmung nach ca. 60 Sekunden ein. Nach
3-5 Minuten werden die Pupillen in mittlerer, meist maximaler Weite lichtstarr. |
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Pathophysiologie |
In der Inneren Medizin werden
Reanimationsmaßnahmen wegen folgender Ursachen am Häufigsten
erforderlich:
• frischer Herzinfarkt
und dessen Komplikationen,
• Rhythmusstörungen
(Kammerflimmern, Asystolie),
• massive Lungenembolie,
• Kreislaufschock,
• Intoxikationen. |
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Ursachen
für
Reanimationsmaßnahmen |
Die wesentlichen Schritte
sind:
• A = Atemwege
freimachen
• B = Beatmung
• C = Circulation
wiederherstellen (Herzmassage), ferner
• D = Drugs,
d.h. Medikamente (in erster Linie Adrenalin und Xylocain)
• E = EKG
und Elektrotherapie (Defibrillation, Schrittmacher). |
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ABC
der Reanimation
(Grundregeln) |
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2.3.2.1
Herzmassage |
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Wir unterscheiden eine äußere
(externe) und eine nur ausnahmsweise notwendige innere (direkte) Herzmassage,
die eine operative Brustkorberöffnung voraussetzt. |
Die äußere Herzmassage
ist nur auf fester Unterlage (Brett im Bett, Fußboden) wirksam
(Ausnahmen: Röntgentisch, Operationstisch). Die Beine sollen in einem
Winkel von etwa 10-20° hochgelagert werden.
Zunächst wird ein kräftiger
Faustschlag auf die Thoraxmitte ausgeübt, der manchmal bereits genügt,
um die Herzaktion wieder in Gang zu bringen. Ist diese Maßnahme erfolglos,
so wird durch etwa 60 rhythmische Druckstöße pro Minute das
Herz zwischen Brustbein und Wirbelsäule zusammengepreßt und
so ein Minimalkreislauf erzeugt. |
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Externe
Herzmassage |
Im Einzelnen geht man folgendermaßen
vor:
Der Helfer kniet oder steht
- am besten links - neben dem Brustkorb des Patienten und legt die Handballen
beider Hände auf das unterste Ende des Brustbeins. Mit durchgedrücktem
Ellenbogen wird das Brustbein stoßartig, aber möglichst elastisch,
etwa 4 cm weit gegen die Wirbelsäule gedrückt. Zur Herzmassage
bei Kindern genügt eine Hand, bei Säuglingen sind zwei Finger
ausreichend. Anfänglich kann mit einer etwas höheren Frequenz
(100/min) massiert werden. Es stehen heute verschiedene mechanische Hilfen
oder sog. Wiederbelebungswagen ("MAX") zur maschinellen Reanimation (Herzmassage
im Wechsel mit Beatmung) zur Verfügung. |
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Vorgehensweise |
Die Wirksamkeit der Massage
zeigt sich durch Tastbarwerden des (Femoralis-)Pulses und Verengung
vorher weiter, reaktionsloser Pupillen. Weitere Zeichen erfolgreicher
Reanimation sind die Wiederkehr von Spontanatmung, normaler Gesichtsfarbe
und Muskeltonus sowie Abwehrbewegungen. Gleichzeitig muss beatmet werden
(s.u.). Die Massagedauer hängt vom Grundleiden und vom erzielbaren
Effekt ab; u.U. muß bis zu einer Stunde massiert werden. Die Erfolgschancen
nehmen allerdings nach 20-30 Minuten rapide ab. |
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Beurteilung
des
Therapieerfolges |
Häufigste, auch durch
den Geübten nicht immer vermeidbare Komplikationen der Herzmassage
sind Rippenbrüche (ca. 30%), die auch zu Blutungen in Lungen und Herzbeutel
oder zum Pneumothorax führen können. Leber- und Milzrisse sind
selten (ca. 2%). |
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Komplikationen |
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2.3.2.2
Beatmung |
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Die Beatmung wird als Mund-zu-Mund-,
Mund-zu-Nase- oder Masken-Beatmung (Guedel-Tubus) durchgeführt. Sie
setzt voraus, dass die Atemwege frei sind. Daher: Fremdkörper oder
Zahnprothese aus dem Mund entfernen, notfalls rasch, aber intensiv absaugen. |
Der Spender bringt durch
Mund, Nase oder Tubus Luft in die Lungen des Patienten ein. Bei Kindern
kann durch Mund und Nase gleichzeitig Luft eingeblasen werden. Je nachdem,
ob durch Nase oder Mund beatmet wird, müssen Mund bzw. Nase des Patienten
verschlossen werden. Der Kopf des Patienten muss nach hinten überstreckt
werden, indem mit der einen Hand die Stirn nach hinten und unten gedrückt
wird; die andere Hand hält das Kinn und verhindert dessen Zurückrutschen.
Bei Verdacht auf HWS-Verletzungen, z.B. im Rahmen eines Unfalls, darf der
Kopf nicht überstreckt oder zur Seite gedreht werden. Eine Beatmung
ist auch mit Atemmaske und Beutel (sog. Ambu-Beutel) möglich. Die
Maske muß jedoch dicht aufgesetzt werden. Die Beatmung ist am sichersten
über einen Tracheal-Tubus durchführbar, der über Nase oder
Mund eingelegt wurde (naso-tracheale bzw. oro-tracheale Intubation). Wenn
Intubationsbesteck und/oder erfahrenes Personal nicht unmittelbar zur Stelle
sind, sollte keine Zeit mit Intubationsversuchen verloren werden! Die Beatmung
muß zu einer sichtbaren Ausdehnung des Brustkorbs führen. Ebenso
kann mit dem Stethoskop kontrolliert werden, ob die künstliche Beatmung
wirksam ist. Nach internationalen Empfehlungen (Guidelines for cardiopulmonary
resuscitation and emergency cardiac care. J. Amer. med. Ass. 268, 1992,
2171) sollen die Atemstöße bei Erwachsenen langsamer, d.h. jeweils
über 1,5-2 Sekunden erfolgen, um den Übertritt von Luft in den
Magen und damit die Regurgitation und Aspiration von Mageninhalt mit der
Gefahr einer Aspirationspneumonie möglichst zu vermeiden. |
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Vorgehensweise |
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2.3.2.3
Kombiniertes Vorgehen |
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Beatmung und Herzmassage
sollen wechselweise, nicht jedoch gleichzeitig durchgeführt werden.
Wird die Reanimation von einer Person durchgeführt (Ein-Helfer-Methode),
so beträgt der Rhythmus Beatmung: Herzmassage 2 : 15, bei zwei Helfern
(Zwei-Helfer-Methode) 1 : 5. |
Häufig praktizierte
Fehler bei Reanimationsmaßnahmen sind:
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Der Patient liegt auf einer
weichen, federnden Unterlage. |
• |
Die Herzmassage erfolgt
nicht am unteren Brustbeindrittel. |
• |
Die Beatmung ist unzureichend
aufgrund einer ungenügenden Überstreckung des Kopfes oder einer
nicht dicht aufsitzenden Maske. |
• |
Die Atemwege sind nicht
ausreichend freigemacht. |
• |
Die Herzmassage wird zu
schwach oder zu hastig ausgeführt (Frequenz über 100/min). |
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Häufige
Fehler |
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Merke: Kopflose Hast
und mangelhafte Kooperation der Helfer sind lebensgefährlich und müssen
daher vermieden werden! |
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2.3.2.4
Weitere Maßnahmen |
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Sind mehrere Helfer vorhanden,
so sollten sich zwei Personen bei Beatmung und Massage abwechseln; die
anderen sollten währenddessen:
• |
sofort den Arzt verständigen, |
• |
Defibrillator und Schrittmacher
sowie EKG-Gerät bereitstellen und einschalten, |
• |
Intubationsbesteck (z.B.
Ambu-Tasche) und Besteck für venösen Zugang bereitstellen, |
• |
folgende Medikamente in
Ampullenform bereithalten: Adrenalin (Suprarenin®), Lidocain (Xylocain®),
Orciprenalin (Alupent®), Itrop®, Atropin, Dopamin, Dobutrex®;
ferner: intravenös
injizierbare Antiarrhythmika (z.B. Mexiletin, Ajmalin, Propafenon, Diphenylhydantoin,
Amiodaron) (s. Tab. 13 auf S. 86 ), |
• |
folgende Infusionen bereitstellen:
Natriumbikarbonat-Lösung (8,4%ig), Plasmaersatzmittel (s. Kapitel
2.3.1.3 Schock ),
NaCl- und Glucose-Lösungen. |
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Maßnahmen,
Geräte und |
Notfallmedikamente |
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Auf Wach- und Intensivpflegestationen
stehen solche Medikamente und Geräte ständig bereit. Wo derartige
Stationen nicht vorhanden sind, sollte alles für eine Reanimation
Notwendige zentral aufbewahrt, gut gekennzeichnet und jederzeit erreichbar
zur Verfügung stehen, z.B. in einem Notfallwagen. |
Ist die erste Notfallsituation
durch Beatmung und Massage überbrückt, können gezielte ärztliche
Maßnahmen getroffen werden:
Intubation und Beatmung
mit Ambu-Beutel oder Beatmungsgerät, EKG zur Unterscheidung zwischen
Herzstillstand und Kammerflimmern, Monitoring.
Bei medikamentös nicht
behebbarer Asystolie ist die transvenöse, intrakardiale Schrittmachertherapie
umgehend indiziert. |
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Ärztliche
Maßnahmen |
Beim Kammerflimmern
muss sofort versucht werden, den Herzmuskel zu defibrilheren (entflimmern).
Bei der Defibrillation wird über zwei mit Kontaktgel versehene Elektroden
(eine am Rücken, eine über dem Herzen angelegt) ein Stromstoß
mit 100-200-400 Ws durch das Herz geschickt. Dabei dürfen weder Patient
noch Bett berührt werden. Häufig sind mehrfache Defibrillationen
erforderlich. Nach jeder Defibrillation sind sofort EKG und Puls zu kontrollieren. |
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Defibrillation |
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Übersicht 11:
Standardvorgehen bei Kreislaufstillstand (modifiziert nach G. H. Meuret)
1. Atemwege freimachen |
2. Beatmung (Intubation) |
3. Kardiale Kompression |
4. Medikamentöse Therapie
• |
Adrenalin: 1,0 mg intravenös,
evtl. 2-3 mg über liegenden Tubus endobronchial (Verdünnung nicht
notwendig) Wiederholung alle 3-5 Minuten: gleiche Dosis |
• |
NaHCO3 (Natriumbikarbonat):
1 mmol/kg Körpergewicht i. v. (in langsamer Infusion)
Wiederholung nach 10 Minuten:
halbe Dosis |
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Übersicht
11 |
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Beim Kreislaufstillstand
wird 1 mg Adrenalin intravenös oder 2-3 mg durch den Trachealtubus
intrabronchial appliziert. Itrop® wird bei bradykarden Herzrhythmusstörungen
gegeben. Beim Kreislaufstillstand unklarer Ursache (Asystolie? Kammerflimmern?)
soll zuerst Adrenalin gegeben werden.
Bei rezidivierendem Kammerflimmern
wird vorbeugend Xylocain® zunächst als Bolus (100 mg i. v.), anschließend
als Infusion verabreicht. Die innerhalb weniger Minuten auftretende schwere
Blut- und Gewebsazidose (Übersäuerung) wird mit Natriumbikarbonatinfusionen
(1 mmol/kg Körpergewicht) als Pufferlösungen bekämpft. |
Der Erfolg von Reanimationsmaßnahmen
hängt von folgenden Faktoren ab:
• |
Zeitdauer bis zum
Einsetzen der Reanimation. Wiederbelebungsversuche, die erst 4 Minuten
nach eingetretenem Atem- oder Kreislaufstillstand begonnen werden, sind
nur noch in ca. 5% erfolgreich, |
• |
Art der Rhythmusstörungen
(Kammerflimmern? Asystolie?), |
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Ursache (Prognose
beispielsweise schlecht bei ausgedehntem Herzinfarkt, relativ gut bei Narkosezwischenfall), |
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Ort des Ereignisses
(Straße? Operationssaal? Intensivstation?). |
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Prognose
der Reanima-
tionsmaßnahmen |
Laut Statistiken können
ca. 15% der in einer Klinik nach Kreislaufstillstand reanimierten Patienten
ohne wesentliche Restschäden entlassen werden. |