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Linus Geisler: INNERE MEDIZIN © 1969/1999 W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart Berlin Köln 
2.3.1.2 Herztransplantation
2.3.1.3 Schock
 
2.3.1.2 Herztransplantation
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Am 3. Dezember 1967 wurde am Groote-Schuur-Krankenhaus in Kapstadt dem 55 Jahre alten LOUIS WASHKANSKY von Professor CHRISTIAAN BARNARD in einer fünfstündigen Operation das Herz eines Unfallopfers, der 25-jährigen DENISE DARVALL, eingepflanzt. Der erste Mensch mit einem Spenderherzen starb 18 Tage später an den Folgen einer Pneumonie. Der Zahnarzt PHILIP BLAIBERG, dem als zweiten Menschen am 2. Januar 1968 ein neues Herz transplantiert wurde, überlebte den Eingriff rund eineinhalb Jahre.
Heute zählt die orthotope (an normaler Stelle) Herztransplantation an entsprechenden Herzzentren als Routineeingriff. Mehr als 
30 000 Herzen sind bis 1997 weltweit verpflanzt worden. In der Bundesrepublik Deutschland werden jährlich ca. 500-600 Herztransplantationen durchgeführt.
Als Herzempfänger kommen Patienten unter 60 Jahren im Endstadium einer Herzerkrankung und einer Lebenserwartung von weniger als einem Jahr bei Ausschöpfung aller anderen therapeutischen Maßnahmen in Betracht.
Indikationen und
Kontraindikationen
Hauptindikationen sind folglich:
  dilatative Kardiomyopathie,
  Endstadium einer koronaren Herzkrankheit,
  schwere angeborene, operativ sonst nicht korrigierbare Herzfehler.
Als absolute Kontraindikationen gelten:
  fixierter Hochdruck im Lungenkreislauf,
  aktive Infektionen,
  maligne Tumoren mit kurzer Lebenserwartung,
  Drogen- und Alkoholabhängigkeit,
  psychosoziale Instabilität,
  schwere, irreversible Leber- und/oder Nierenschäden.
Zur Prophylaxe von Transplantat-Abstoßungen muss eine lebenslange immunsuppressive Therapie mit Ciclosporin, Azathioprin und Prednison durchgeführt werden. In der postoperativen Phase wird Antithymozyten-Globulin (ATG) verabreicht. Abstoßungskrisen, die am sichersten durch transvenöse Endomyokardbiopsien erfasst werden, werden hochdosiert mit Prednisolon, eventuell kombiniert mit ATG behandelt.
Immunsuppressive 
Therapie zur
Prophylaxe von 
Abstoßungsreaktionen
Komplikationen der immunsuppressiven Therapie sind Infektionen mit Streptokokken, Enterokokken, E. coli, Klebsiellen oder Pseudomonas. Zytomegalie-Virusinfektionen sind wegen lebensgefährlicher Pneumonien, Hepatitiden und Enzephalitiden (Hirnentzündungen) besonders gefürchtet.
Ein besonderes Problem sind die nach einigen Jahren als Spätfolge der Immunsuppression auftretenden bösartigen Tumoren (Hautkrebs, Lymphome vom Non-Hodgkin-Typ und Kaposi-Sarkome). Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt bei ca. 85%, die 5-Jahres-Überlebensrate bei ca. 75%.
Komplikationen und
Spätfolgen der
immunsuppressiven
Therapie
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2.3.1.3 Schock
Definition: Als Schock wird ein akutes, lebensbedrohliches Kreislaufversagen bezeichnet, das zu einer kritischen Verminderung der Organdurchblutung, insbesondere von Nieren, Herz, Hirn und Lunge führt.
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Übersicht 10: Hauptursachen des Kreislaufschocks
  Kardiogener Schock 
  Hypovolämischer Schock 
  Septischer Schock 
  Anaphylaktischer Schock
Übersicht 10
Die unzulängliche Durchblutung der Kreislaufperipherie im Schock kann folgende Ursachen haben: Ursachen
1. Hypovolämischer Schock, d. h. das zirkulierende Blutvolumen ist (absolut) vermindert:
durch schwere Blutungen nach innen oder außen,
durch Verlust von Blutplasma, welches aus der Blutbahn in die Gewebe übertritt (z.B. ausgedehnte Verbrennungen, schwere Bauchfellentzündungen),
•  durch massive Flüssigkeitsverluste, wie sie bei massiven Durchfällen oder extremem Schwitzen auftreten können.
2. Kardiogener Schock, d.h. verminderte Herzleistung mit relativer Verminderung der zirkulierenden Blutmenge:
  bei Herzinfarkt,
  infolge von Rhythmusstörungen,
  bei Lungenembolie,
  durch Herztamponade.
3. Septischer Schock, d.h. infektiös:
  z. B. bei Sepsis.
4. Anaphylaktischer Schock aufgrund einer allergischen Reaktion.
Das klinische Bild des Schocks ist sehr charakteristisch. Bei meist erhaltenem Bewußtsein sind die Patienten unruhig und kaltschweißig, die Haut ist blaß und kühl, besonders an den Akren (Finger, Zehen, Nase), der Puls ist dünn, fadenförmig und beschleunigt. Der Blutdruck ist niedrig, häufig gar nicht meßbar, die Blutdruckamplitude klein (z.B. RR 60/50 mmHg). Die Diurese ist vermindert (s. Abb. 11). Klinisches Bild
Noch im Normbereich befindliche Blutdruckwerte (z.B. 110/90 mm Hg) schließen einen Kreislaufschock nicht mit Sicherheit aus. Ob es zu Verwirrtheit oder Bewußtseinstrübung kommt, hängt von der Dauer und Schwere des Schocks sowie vom Lebensalter des Patienten ab. Erfolg oder Versagen der eingeleiteten Therapie zeigen, ob ein reversibler oder irreversibler Schockzustand vorliegt.
Abb. 11: Symptome und Überwachungsmaßnahmen beim Kreislaufschock
Abb. 11 (klein)
Vergrößerung
Abb. 11
Der Schock führt zum Sauerstoffmangel, d.h. zur Hypoxie der Gewebe. Der Stoffwechsel der Gewebe wird dadurch gestört. Es treten saure Stoffwechselprodukte auf, die in das Blut gelangen und dort zu einer Übersäuerung (Azidose) führen. Außerdem kann durch eine Strömungsverlangsamung in den Kapillaren der Kreislaufperipherie eine Stagnation des Blutstromes auftreten, die zu einer Verklebung der Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten, zum sog. blood-sludge (engl. Blutschlamm), führt und eine weitere Verschlechterung der Zirkulation bedingt, d.h. die sog. Mikrozirkulation (Zirkulation im Kapillargebiet) ist gestört. Der Organismus reagiert darauf mit einer zunächst sinnvollen Regulation: Da die Durchblutung nicht mehr für alle Gewebe reicht, wird das Blut bevorzugt den lebenswichtigen Organen wie Hirn, Herz, Nieren und Leber zugeführt. Diesen Vorgang nennt man Zentralisation. Nimmt der Schweregrad des Schocks weiter zu, reicht die Durchblutung vor allem für die Niere nicht mehr aus, und es kommt zu einem Rückgang der Diurese. Folgen
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Merke: Sinkt im Schock die Urinproduktion unter 30 ml/Std., so ist dies als absolutes Alarmsignal zu werten, das auf die Entwicklung einer Schockniere hinweist, die unter allen Umständen vermieden werden sollte.
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Die sog. Schocklunge ist eine Folge der Mikrozirkulationsstörung im kleinen Kreislauf. Sie hat eine schlechte Prognose und führt meist erst nach Überwindung des Schocks durch ein nicht behebbares Atemversagen zum Tode. Der letztlich zum Tode führende Zusammenbruch vieler Organe im Schock wird als Multiorganversagen bezeichnet.
Ist ein Volumenmangel die wesentlichste Schockursache, so steht therapeutisch der Volumenersatz an erster Stelle, bei Blutungen am besten durch Bluttransfusionen, sonst mit Plasmaersatzmitteln. Diese Mittel füllen nicht nur das verloren gegangene Volumen wieder auf, sondern wirken - indem sie einen Flüssigkeitsrückstrom aus den Geweben der Blutbahn induzieren - als sog. Plasmaexpander. Leider können die Plasmaersatzmittel in seltenen Fällen zu schweren, sogar lebensgefährlichen Überempfindlichkeitsreaktionen führen. Die meisten Plasmaersatzmittel enthalten entweder Dextran (z.B. Macrodex®, Rheomacrodex®, Longasteril®), Gelatine (z.B. Haemaccel®, Gelifundol®, Physiogel®) oder Stärkeverbindungen (Plasmasteril®). Menschliche Albumin-Lösungen (Humanalbumin) eignen sich gut zur Volumensubstitution, sind aber sehr teuer.
Nur wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen (vor allem bei Gefäßinsuffizienz), müssen blutdrucksteigernde Medikamente, z.B. Dopamin®, Arterenol® oder Hypertensin® als Infusion angewandt werden. Die Hypoxie macht Sauerstoffzufuhr erforderlich. Nach der Erstversorgung ist es wichtig, die Schockursache zu ermitteln und, falls möglich, zu beseitigen.
Therapie
Pflegerisch ist zu beachten, dass Schockpatienten besonders infektionsgefährdet sind (Atemwege, Harnwege), leicht einen Dekubitus entwickeln und Wärmeverluste schlecht tolerieren. Daher ist absolute Sterilität beim Absaugen der Luftwege und Katheterisieren der Harnblase erforderlich. Zur Dekubitusprophylaxe sind entsprechende Lagerung und gute Hautpflege notwendig. Eine direkte Wärmeanwendung im Schock ist jedoch gefährlich, da es leicht zu schweren Hautverbrennungen kommen kann (keine Heizkissen oder Wärmflaschen verwenden). Icon
Allgemeine
und spezielle
Pflegemaßnahmen
Der Schockpatient befindet sich in Lebensgefahr und muss daher auf einer Intensivstation überwacht und behandelt werden. Dabei sind folgende pflegerischen bzw. Überwachungsmaßnahmen unerlässlich:
•  Anlegen eines zentralvenösen Zugangs (ZVK),
•  Messung des zentralen Venendrucks (ZVD),
•  laufende Kontrolle von Blutdruck und Pulsfrequenz,
•  Legen eines Dauerkatheters und halbstündige Messung der Diurese,
•  Messung der Körpertemperatur,
•  Bestimmung folgender Laborwerte: Hb, Hämatokrit, Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten, Blutgerinnung, Elektrolyte (Natrium, Kalium, Chlorid im Serum), Kreatinin, Blutzucker und Säure-Basen-Werte (sog. Astrup),
•  EKG-Monitoring (vor allem im kardiogenen Schock),
•  Röntgenthoraxaufnahme,
•  bei Fieber und/oder Sepsis: Blutkulturen, Uricult.
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Linus Geisler: INNERE MEDIZIN. 17. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart Berlin Köln
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Autorisierte Online-Veröffentlichung: Homepage Linus Geisler - www.linus-geisler.de
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