Der Körper lügt
nicht. |
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J. Fast
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Körpersprache
- ein Exkurs
Die Körpersprache macht einen wesentlichen
Teil der nonverbalen Kommunikation aus. Die Feststellung von WATZLAWICK:
"Man kann nicht nicht kommunizieren" trifft auch für die Körpersprache
zu. J. FAST über den Kommunikationszwang der Körpersprache:
"Ein Mensch kann zwar aufhören zu sprechen, er kann aber nicht gleichzeitig
aufhören, durch seine Körpersprache zu kommunizieren. Er muss
mit seinem Körper etwas sagen, etwas Falsches oder Richtiges - aber
es ist ihm unmöglich, nichts zu sagen." So haben beispielsweise Videorecorderanalysen
gezeigt, dass praktisch jeder Mensch mit den Händen redet und
fast niemand in der Lage ist,15 Sekunden im Gespräch ohne eine Bewegung
von Hand oder Finger zu verbringen (S. MOLCHO). Wird Körpersprache
bewusst unterdrückt und damit eine gewollte Sprachlosigkeit des Körpers
erzeugt, wirkt das Verhalten meist unnatürlich oder gekünstelt.
Ein typisches Beispiel dafür ist die mimische Starre und unnatürliche
Haltung des Mannequins in der Haute Couture in ihrem Bemühen, möglichst
keine emotionale Signale auszustrahlen, oder die betont statische Schauspieltechnik
von Sean Connery in den James-Bond-Filmen (J. FAST).
Ebenso wie es den Zwang gibt, sich auch
durch Körperbewegungen zu artikulieren, ist es andererseits nicht
möglich, sich den Signalen der Körpersprache zu entziehen. Manche
Menschen sind in der Lage, vom Körper ausgesandte Signale intuitiv
richtig zu interpretieren, für viele ist die Körpersprache jedoch
eine Fremdsprache, die zumindest in den Grundzügen erlernt werden
muss, wenn auch die nonverbalen Botschaften des Gesprächspartners
miterfasst werden sollen. Hier muss jedoch deutlich auf eine Grundgefahr
der
Interpretation von Körpersprache hingewiesen werden. BIRDWHISTELL,
von dem grundlegende Arbeiten der Kinesik stammen, warnt eindringlich,
dass "keine Körperhaltung oder -bewegung an sich schon eine bestimmte
Bedeutung besitzt". Er weist darauf hin, dass die Interpretationen der
Kinesik nur stimmen, wenn sie im Zusammenhang mit dem gesamten
Verhaltensmuster eines Menschen gesehen werden. BIRDWHISTELL: "Aus
der gesprochenen Sprache allein erkennen wir nie die volle Bedeutung dessen,
was eine Person sagen will. Aber auch die Körpersprache alleine wird
uns nie die volle Bedeutung einer Aussage vermitteln. Wenn wir bei einem
Gespräch nur auf die Worte achten, erhalten wir unter Umständen
einen ebenso unzutreffenden Eindruck, als würden wir lediglich auf
die Sprache achten."
Obwohl die Körpersprache der Ursprung
jeder Sprache ist, wurde sie erst relativ spät, insbesondere in den
USA, erforscht. Die Kinesik als Teilbereich der Ausdruckspsychologie
ist nicht umstritten, da sie wissenschaftlich nicht durchgängig fassbar
ist. Sie wurde von dem Philosophen und Psychologen Philipp LERSCH (1893-1969)
entwickelt. Der Begriff Ausdruck umfasst als übergeordnete
Bezeichnung Körpersprache, emotionalen Ausdruck und stimmlichen
Ausdruck. Der stimmliche Ausdruck stellt eine unmittelbare und nicht
trennbare Durchdringung von verbaler und nichtverbaler Kommunikation dar:
Stimme und Sprechen bilden quasi ein "Tandem" (PLOOG).
Durch Körpersprache kann die verbale
Information unterstrichen, verdeutlicht und verstärkt werden. Sie
kann gestisch "ausmalen" und der Bedeutung des Gesprochenen ein besonderes
Gewicht beimessen. Körpersprache kann aber auch das Gesagte abschwächen,
relativieren und die Bedeutung verwischen. Schließlich kann Körpersprache
als Ausdrucksmittel für Inhalte gelten, die sprachlich nicht formuliert
werden können, entweder weil dem Sprechenden das notwendige Vokabular
nicht zur Verfügung steht, oder weil die Information an sich schwer
anschaulich zu beschreiben ist. Dies gilt beispielsweise für den Versuch,
bestimmte Missempfindungen deutlich zu machen. Ein typisches Beispiel dafür
ist das sogenannte Levine-Zeichen: Bei der Schilderung eines Angina-pectoris-Anfalls
"beschreibt" der Patient den schnürenden, drückenden oder pressenden
Charakter des ischämischen Schmerzes, indem er beim Reden die geballte
Faust ans untere Ende des Sternums legt. Das "Zeigefingerzeichen" beim
Schildern von Herzbeschwerden ist wiederum typisch für funktionelle
Herzbeschwerden, die meist als stechend und punktförmig linksthorakal
lokalisiert empfunden werden.
Bei der Interpretation körpersprachlicher
Signale sind ethnische Unterschiede zu berücksichtigen. Andernfalls
kann es zu erheblichen Missverständnissen kommen. So wunderten sich
beispielsweise die russischen Soldaten bei ihrem Einmarsch in Bulgarien,
dass die Bulgaren bei allen Befehlen, die sie von ihnen erhielten, mit
Kopfschütteln reagierten. Erst später erfuhren sie, dass für
den Bulgaren Kopfschütteln "ja" bedeutet. Die folgenden Interpretationen
der Körpersprache stützen sich im wesentlichen auf J. FAST und
S. MOLCHO.
Augen und Blick
Von allen Teilen des menschlichen Körpers,
die zum Aussenden von Informationen benutzt werden, sind die Augen die
wichtigsten. Sie können die subtilsten Nuancen übermitteln. Die
offensichtliche Wahrnehmung eines anderen Menschen geschieht immer durch
Blickkontakt.
Der
"leere Blick" macht den anderen zur Nichtperson. Jedes Gespräch beginnt
in der Regel mit einem Blickkontakt, dem je nach Aussage und Situation
weitere kurze Blickkontakte folgen. Am Ende des Satzes oder einer Satzfolge
steht wieder ein "Ritualblick. In der westlichen Zivilisation dauert der
Ritualblick zwischen Leuten, die sich nicht kennen, zwischen 2 und 4 Sekunden.
Bei Menschen, die miteinander vertraut sind, kann er je nach Situation
erheblich kürzer oder länger sein. Das Nichteinhalten des Blickkontakts
kann kränkend wirken, weil der genetisch programmierte Ritualblick,
der den anderen als Person anerkennt, verweigert wird (typisches Beispiel:
Der Ehemann, der beim Frühstück zeitungslesend die Fragen seiner
Frau wortkarg beantwortet, ohne die Augen zu heben).
Im Mittelmeerraum und in arabischen Ländern
ist der Blickkontakt sehr viel länger, bei Asiaten hingegen nur sehr
kurz, während beispielsweise Afrikaner während des Gesprächs
überhaupt wegsehen oder erst zum Schluss Blickkontakt aufnehmen. Dauer
und Intensität des Blicks können Ausdruck dafür sein,
ob ein Territorialkampf stattfindet: Wer als erster die Augen niederschlägt,
hat verloren. Blicke können den Gesprächsablauf wesentlich beeinflussen
und stark stören. Starkes Fixieren, das den Gesprächspartner
zwingen soll, sich auf uns zu konzentrieren, führt meist zum Gegenteil.
Der Partner kann nicht mehr zuhören. Gerade bei intensiven Gesprächen
muss der Partner immer wieder die Möglichkeit bekommen, wegzusehen.
Auf der anderen Seite kann ein langes Abreißen des Blickkontakts
die Fortsetzung des Gesprächs ebenfalls gefährden. Die Informationsabgabe
wird dann zum einseitigen Vorgang, weil der Empfänger innerlich schon
die "Flucht angetreten" hat. Dies gilt besonders für Gespräche,
die für den Partner unangenehm oder peinlich sind; da er nicht mit
den Beinen davonrennen kann, flieht er wenigstens mit den Augen.
Mund
Das Zusammenpressen von Mund und Lippen drückt
Ablehnung aus und signalisiert das Nicht-sprechen-Wollen. Das Herabziehen
der Mundwinkel soll Missfallen oder Nichtwissen zum Ausdruck bringen.
Hände
Nach den Augen sind die Hände das wichtigste
Instrument der Körpersprache. Hier spielen die engen Wechselbeziehungen
zwischen Gehirn und Hand (Denken und Handeln) eine große Rolle. Bekanntlich
beanspruchen Daumen und Zeigefinger allein einen10fach größeren
Hirnrindenanteil als der Fuß. Den einzelnen Fingern werden
bestimmte Bedeutungen zugeschrieben:
Der Daumen gilt als Dominanzfinger,
der gleichzeitig, der motorisch stärkste Finger ist. Mit dem ausgestreckten
Daumen entschieden die römischen Kaiser über Leben und Tod der
Gladiatoren. Im Flugverkehr bedeutet der nach oben gestreckte Daumen: o.k.,
startklar! Wird der Daumen mit den anderen Fingern umklammert und verborgen,
so kann dies ein Zeichen von Angst und Sich-verkriechen-Wollen sein.
Der Zeigefinger ist der sensibelste
Finger. S. MOLCHO bezeichnet ihn als "Besserwisser" unter den Finger. Der
Zeigefinger belehrt, der gestreckte Zeigefinger droht. "Zeigefingermenschen"
lösen nicht selten unangenehme Gefühle beim Gesprächspartner
aus. Menschen mit sogenannter guter Erziehung verwenden statt des Zeigefingers
ersatzweise Kugelschreiber, Pfeifen oder die zwischen Daumen und Zeigefinger
genommene Brille.
Der Mittelfinger gilt als sogenannter
"Selbstdarstellungsfinger", während der Ringfinger der Gefühlsfinger
ist. Er kann sich ohne den Mittelfinger nur schwer bewegen und übt
eine passive Rolle aus. Der kleine Finger wird gelegentlich als
Gesellschaftsfinger bezeichnet. Das Abspreizen des kleinen Fingers war
früher in den sogenannten feinen Kreisen üblich.
Die Handhaltung hat eine offenkundige
Ausdrucksbedeutung. Bei der offenen Hand wird dem Gesprächspartner
die Innenfläche, die doppelt so sensibel wie der Handrücken ist,
zugekehrt. Wer die sensible Seite der Hand offen legt, schenkt seinem Gegenüber
Vertrauen, ist friedfertig und wohlgesonnen. Die Geste des freien Gebens
und Nehmens geschieht mit der offenen Hand (Ikonegraphie der Heiligenbilder,
Motiv des Segnens, der Fürbitte und Darreichung). Die offene Hand
signalisiert die Achtung vor dem anderen und ist gleichzeitig Angebot für
eine symmetrische Wechselbeziehung. Umgekehrt wird bei der Geste der zudeckenden
Hand die sensible Innenseite nach unten und der Handrücken nach
oben gekehrt. Der Mensch steckt seine empfindliche Seite gegenüber
der Außenwelt ab. Menschen, die im Gespräch dauernd den Handrücken
zum Partner richten, schirmen sich aus Unsicherheit oder weil sie etwas
verbergen wollen ab; häufig sind sie schwierige Verhandlungspartner.
Hände, die auf dem Tisch, der Sessellehne,
den Schenkeln oder unter den Tisch gehalten werden, können Verdeckungstendenzen
signalisieren.
Gespräche, die mit ausgestrecktem Zeigefinger erfolgen, geschehen
meist aus einer Dominanzposition heraus. Eine geballte Faust
signalisiert
bekanntlich Aggressionen oder die Bereitschaft zu kämpfen, erstaunlich
oft steht dies im Gegensatz zu den verständnisvoll und entgegenkommend
klingenden Worten des Gesprächspartners. Wer die offenen Hände
von sich wegschiebt, drückt aus, dass er sich etwas vom Leib halten
möchte. S. MOLCHO nennt dafür ein historisches Beispiel: Während
des Vietnamkriegs hielt Präsident Nixon eine Fernsehansprache, in
der er versuchte, die protestierende Jugend mit großen Versprechungen
zu beschwichtigen. Während er sagte: "I promise you, you will get
everything you want!", schob er sichtbar seine Hände nach vorne.
Die linke Hand wird häufig
als Gefühlshand, die rechte Hand als Vernunftshand
gedeutet.
Das Bewegen beider Hände soll die Aussagen der offenen oder
verdeckten Hand verstärken. Werden z.B. die Arme auf die Ellenbogen
aufgestützt und die Faust in die andere Hand gelegt, so symbolisiert
dies den Aufbau einer inneren Schutzmauer. Beim "Stachelschwein-Zeigen"
werden die ineinanderverschränkten Finger beider Hände gespreizt
und damit abwehrend die Spitzen gezeigt. Das Halten der beiden Hände
in Pyramidenform kann Abwägen gemeinsamer Interessen und Bereitschaft
zur Einigung bedeuten. Händereiben kann Verschiedenes ausdrücken:
zur Tat schreiten, zufrieden sein, evtl. auch Schadenfreude. Das Ineinanderverflechten
der Hände mit hochgereckten Daumen ist Symbol einer dominanten Stellung.
Schließlich kann auch durch das Berühren
des eigenen Körpers mit den Händen etwas ausgedrückt
werden: Die Hand, die zum Mund fährt, blockiert möglicherweise
eine voreilige Äußerung. Die Hand, die den Nacken reibt, kann
Ausdruck einer unbehaglichen Situation sein. Zupfen der Nasenspitze kann
peinliche oder unrichtige Aussagen begleiten. Wird der Kopf an der Nasenwurzel
zwischen Daumen und Zeigefinger abgestützt, kann dies ein Zeichen
der Ermüdung oder Erschöpfung sein. Wird das Ohrläppchen
zwischen Daumen und Zeigefinger genommen, kann dies den Versuch bedeuten,
die Beobachtungsschärfe zu erhöhen (Stimulierung des aus der
Akupunktur bekannten Augenpunktes?). Auf Körperhaltung, Sitzarten
und Beinhaltung im Sitzen wurde im Kapitel "Die richtige Sitzordnung"
eingegangen.
So sehr Interpretationen der Körpersprache
einleuchtend sind, so sehr muss noch einmal betont werden, dass die körpersprachlichen
Aussagen grundsätzlich mehrdeutig sind und eine einigermaßen
zuverlässige Interpretation nur im Kontext mit anderen nonverbalen
Ausdrucksformen und sprachlichen Äußerungen möglich ist.
Die Treffsicherheit der Deutung wird wesentlich erhöht, wenn zwei
körpersprachliche Aussagen gleichgerichtet sind. Es ist daher sicher
richtig, sich das Postulat von R.H. RUHLEDER vor Augen zu halten: "Nonverbale
Aussagen sind verbal zu überprüfen."
Linus
Geisler: Arzt und Patient - Begegnung im Gespräch. 3. erw. Auflage,
Frankfurt a. Main, 1992
©
Pharma Verlag Frankfurt
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Online-Veröffentlichung: Homepage Linus Geisler - www.linus-geisler.de
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