Der Gesprächsabschluss
Viele Gespräche im ärztlichen Alltag
enden so, wie sie begonnen haben: so unstrukturiert und ohne Systematik.
Das Gesprächsende wird sehr viel mehr von äußeren Faktoren
(Gesprächssituation, Zeitdruck) bestimmt als durch seine logische
und psychologische Dynamik. Der Gesprächsabschluss ist aber ein ebenso
essentieller
Gesprächsbestandteil wie die übrigen Gesprächsphasen.
Im Wirtschaftsleben würde niemand ein Verkaufs- und Vertragsgespräch
ohne klaren Gesprächsabschluss beenden. Für viele Gespräche,
insbesondere für schwierige Gesprächssituationen, bildet der
Abschluss die wirkliche "Krönung" des Gesprächs.
Formal lässt sich der Gesprächsabschluss
in 3 Phasen unterteilen:
-
die Schlussbesprechung,
-
der konstruktive Plan,
-
die Verabschiedung.
Die Schlussbesprechung hat mehrere
Funktionen: Zunächst wird eine Bilanz gezogen. Sie soll für
beide Gesprächspartner deutlich machen, was im Gespräch erreicht
wurde. Nicht weniger wichtig ist es aber auch, herauszustellen, was nicht
erreicht
wurde, weil die Defizite die weiteren Gespräche und das notwendige
Vorgehen bestimmen. Ähnlich wie am Gesprächsanfang eine innere
und äußere Standortbestimmung des Gesprächspartners
notwendig ist, sollte auch am Gesprächsende der Standort neu bestimmt
werden. Die Bilanz am Gesprächsende besitzt eine wichtige Kontrollfunktion:
Sie zeigt, ob das Gespräch in einer gemeinsamen Wirklichkeit der Gesprächspartner
abgelaufen ist. Ein Ziel des Gesprächsresümees ist eine psychologische
Abrundung des Gesprächs.
Gespräche, die offen, d.h. ohne erkennbares
Resultat und ohne weitere Zielsetzung enden, hinterlassen bei den Gesprächspartnern
häufig ein Gefühl der Leere und Unbestimmtheit. Das Gespräch
hingegen, bei dem sich eine Bilanz ziehen lässt, gibt den Gesprächspartnern
das Gefühl, dass sie sich mit einem messbaren Erfolg um ein Problem
bemüht haben, dass das Arbeitsbündnis zwischen ihnen funktioniert
und dass es sich lohnt, zu sprechen. Das Erlebnis, ein konstruktives und
positives Gespräch geführt zu haben, ist die beste Motivation
für weitere Gespräche zwischen Arzt und Patient.
Die Gesprächsbilanz ist die Voraussetzung
für den sog. konstruktiven Plan, der folgende Punkte umfasst.
-
Verordnungen, Ratschläge, Empfehlungen,
Anregungen für den Patienten,
-
Hinweise und Hilfen, wie die Anordnungen realisiert
werden können,
-
eventuell weitere Gesprächsterminierungen.
Natürlich lässt sich das Konzept
des Gesprächs als geschlossenes Ganzes nicht in allen Situationen
des medizinischen Alltags verwirklichen (Notfallsituationen, Gespräche
mit nicht voll kontaktfähigen Patienten). Aber immer dann, wenn das
Gespräch als das entscheidende Instrument zur Erfassung und Lösung
von Problemen und Konflikten dient, ist das Höchstmaß an Effizienz
gebunden an eine formale, strukturelle, inhaltliche und thematische
Geschlossenheit des Gesprächs.
Linus
Geisler: Arzt und Patient - Begegnung im Gespräch. 3. erw. Auflage,
Frankfurt a. Main, 1992
©
Pharma Verlag Frankfurt
Autorisierte
Online-Veröffentlichung: Homepage Linus Geisler - www.linus-geisler.de
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