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Linus Geisler: Arzt und Patient - Begegnung im Gespräch   © Pharma Verlag Frankfurt 
Die richtige Distanz
Wie viel Raum braucht der Mensch?
Die richtige Sitzordnung
Sitzhaltungen
Die richtige Distanz
Wenn Arzt und Patient miteinander sprechen, sollte die räumliche Distanz zwischen ihnen stimmen. Ist dies nicht der Fall, so kann bei den Gesprächspartnern ein Gefühl des Unbehagens aufkommen, das sich zu einer ernsthaften Störung des Gesprächs entwickeln kann.

Diesem Phänomen liegt die Tatsache zugrunde, dass es in den verschiedenen kommunikativen Situationen Distanzen zwischen den Partnern gibt, die unbewusst im Sinne einer stillen Übereinkunft als angemessen empfunden werden. Diese Distanzen sind abhängig von Kulturkreis, Rasse, sozialer Schicht, Geschlecht, Alter und psychischer Struktur. Jeder Mensch verfügt über ein "Individualrevier", das jedoch in homogenen Menschengruppen weitgehend deckungsgleich ist. Werden diese Distanzen verlassen, kommt es also zu deutlichen Über- oder Unterschreitungen, können daraus erhebliche Kommunikationsstörungen resultieren. Die Distanz zwischen Menschen besitzt immer auch eine symbolische Bedeutung und zählt somit zu den non-verbalen Ausdrucksmitteln. Das erfolgreiche Gespräch zwischen Arzt und Patient setzt voraus, dass sich die Gesprächspartner in einer Distanz zueinander befinden, die beide in der Regel unbewusst als die richtige empfinden.



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Wie viel Raum braucht der Mensch?
Julius FAST, einer der großen Kenner der Körpersprache und Autor des Buches "Body Language", schildert eine Begebenheit, die für ihn zu einer lehrreichen Lektion in der Körpersprache wurde. FAST saß zusammen mit einem befreundeten Psychiater beim Mittagessen in einem Restaurant in Vis-à-vis-Position an einem Zweiertisch. Sein Gegenüber holte eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche, zündete sich eine Zigarette an und legte die Schachtel unmittelbar vor das Gedeck von FAST, während das Gespräch weiterging. FAST fühlte sich auf eine nicht näher beschreibbare Art beunruhigt. Diese Unruhe verstärkte sich noch, als sein Gegenüber sein Besteck in die Nähe der Zigarettenschachtel schob. Als sich sein Gesprächspartner dann auch noch weit über den Tisch direkt auf FAST hin vorbeugte, fühlte sich dieser so irritiert, dass er das Gespräch unterbrechen musste. Nun lehnte sich sein Gegenüber zurück und sagte lächelnd: "Ich habe dir soeben eine grundlegende Tatsache der Körpersprache demonstriert. Zunächst habe ich meine Zigarettenschachtel zu dir hingeschoben. Aufgrund einer stillschweigenden Übereinkunft hatten wir den Tisch vorher in Hälften geteilt, die eine Hälfte für dich und die andere für mich. In Gedanken haben wir beide uns ein bestimmtes Revier abgesteckt. Normalerweise hätten wir den Tisch höflich zwischen uns geteilt und die Hälfte des anderen respektiert. Ich aber legte meine Zigarettenschachtel ganz bewusst in dein Gebiet und brach damit die Übereinkunft. Du wusstest zwar nicht, was ich tat, aber du fühltest dich trotzdem unbehaglich. Als ich dem ersten Einbruch in dein Revier einen weiteren folgen ließ und meinen Teller und das Besteck zu dir hinschob und mich dann noch selbst über den Tisch lehnte, fühltest du dich immer unwohler und bedrohter und wusstest immer noch nicht, warum".

Was FAST hier beschreibt, ist die klassische Reaktion auf eine Revierbedrängung innerhalb des Individualreviers eines Menschen. Untersuchungen über die spezifischen Raumbedürfnisse von Menschen und die optimalen Distanzen in bestimmten kommunikativen Situationen sind zu einer neuen Wissenschaft geworden, die Proxemik genannt wird. Wesentliche Erkenntnisse über den persönlichen Raum des Menschen und dessen Bedeutung stammen von E.T. HALL, Professor für Anthropologie. HALL unterscheidet 4 Distanzzonen, innerhalb deren die meisten Menschen kommunizieren:

  1. die intime Distanz,
  2. die persönliche Distanz,
  3. die gesellschaftlich-wirtschaftliche Distanz (Wahrnehmungsdistanz),
  4. die öffentliche Distanz.
Das Phänomen der Existenz dieser 4 Distanzzonen erklärt gut, warum Menschen in bestimmten Situationen eine bestimmte Distanz zum Gegenüber oder einer Gruppe von Menschen als richtig oder störend empfinden (Tab.).
Distanzen der 4 Raumzonen (nach R.H. RUHLEDER)
- - - -
- mehr introvertierte Menschen mehr extrovertierte Menschen unbekannte Personen
- - - -
Intimdistanz 0,40 m - 1,50 m 0,30 m - 0,50 m bis 0,50 m
persönliche Distanz 1,50 m - 2,00 m 0,40 m - 1,50 m 0,50 m - 1,50 m
gesellschaftlich-wirtschaftliche Distanz 2,00 m - 4,00 m 1,50 m - 3,00 m 1,50 m - 3,00 m
Ansprachedistanz ab 4,00 m ab 3,00 m ab 3,00 m
- - - -
Wie ersichtlich, werden die Distanzzonen um so größer, je weniger vertraut das Gegenüber ist. Die Existenz derartiger Distanzzonen macht es verständlich, warum wir in einem vollen Aufzug den dringenden Wunsch haben, wieder rasch auszusteigen, weshalb ein Abstand von etwa 4 m zwischen Lehrer und Schulklasse von beiden als richtig empfunden wird, warum es in arabischen Ländern selbstverständlich ist, wenn 2 Männer einander beim Gehen den Arm auf die Schulter legen, und warum dies bei 2 deutschen Männern in Osnabrück leichtes Erstaunen hervorrufen würde und warum Karl der Große seinen Thron im Aachener Dom so hoch bauen ließ, dass kein Vertreter Roms höher sitzen konnte als er. Für Westeuropäer gelten folgende Regeln für die verschiedenen Distanzen:
Distanz Abb.: Distanzzonen für nicht näher bekannte Personen (nach R.H. RUHLEDER)

Die intime Distanz

Die nahe intime Distanz ist die akzeptierte körperliche Distanz zwischen sehr eng befreundeten Menschen, Liebespaaren, Kindern und Eltern sowie zwischen Ehepartnern. Im westlichen Kulturkreis wird die nahe Distanz zwischen Frauen gesellschaftlich akzeptiert, nicht aber zwischen Männern.

Im arabischen Kulturkreis und in bestimmten südeuropäischen Ländern ist die nahe intime Distanz auch zwischen Männern gang und gäbe.

Männer empfinden die weite intime Distanz, wenn sie sich nicht sehr gut kennen, außer beim Händedruck als peinlich und reagieren mit Unsicherheit und Unruhe. In der intimen Distanz wird nur ein flüchtiger neutraler Blickkontakt als angemessen toleriert. Ein längerer Blickkontakt (mehr als etwa 3 Sekunden) wird in diesem Abstand als aufdringlich oder Zumutung empfunden; er löst das Gefühl des Angestarrtwerdens aus und kann zu aggressiven Ausbrüchen führen.

Geraten Menschen, die einander fremd sind, gezwungenermaßen in die nahe intime Distanz (Fahrstuhl, überfüllte Verkehrsmittel, Gedränge bei öffentlichen Veranstaltungen), so löst dies deutlich Unbehagen, u.U. Unruhe und Aggressionen aus. Möglicherweise werden Gewalttätigkeiten in Fußballstadien durch das Zusammendrängen von Menschen in die nahe intime Distanz gefördert.
 

Die persönliche Distanz

In der nahen persönlichen Distanz haben die Partner immer noch die Möglichkeit, sich die Hand zu geben. Es ist die typische Distanz von Cocktailparties oder zwischen Ehepaaren in der Öffentlichkeit.

Die weite persönliche Distanz markiert die äußerste Grenze des persönlichen Dominanzbereiches. Es ist der Abstand, den Menschen in der Regel unwillkürlich, z.B. bei Begegnungen auf der Straße, einnehmen, wenn sie ein Gespräch suchen, sich jedoch nicht sehr vertrauliche Dinge mitteilen wollen. Die Botschaft dieser Distanz ist eine offene und neutrale Gesprächsbereitschaft. Die weite persönliche Distanz (90 bis 150 cm) ist die Entfernung, in der Arzt und Patient miteinander sprechen sollten. Es ist der Abstand, der sich für Gespräche im Sitzen am besten bewährt hat. Das gleiche gilt, wenn der Arzt sich mit dem Patienten, der im Bett liegt unterhält. Das Gespräch bei der Visite vom Fußende des Bettes her zeigt, dass der Arzt sich bereits außerhalb der persönlichen und in der sogenannten gesellschaftlichen Distanz befindet, die für ein vertrauliches Gespräch nicht mehr geeignet ist. Auch die meisten technischen, nichtinvasiven und invasiven Untersuchungen (Sonographie, Endoskopie, Katheteruntersuchungen) werden in der persönlichen Distanz durchgeführt. Der Patient, der 3 m entfernt vor seinem Arzt auf eine Sitzgruppe verbannt wird, befindet sich in einer kommunikativ problematischen Situation, ähnlich wie der vom Computertomographen umschlossene Kranke, der keinen Arzt in seiner Nähe ausmachen kann.
 

Die gesellschaftlich-wirtschaftliche Distanz

Die entfernte Phase der gesellschaftlichen Distanz gilt vor allem für offizielle gesellschaftliche oder geschäftliche Anlässe. Sie ist in gewisser Weise eine schützende Distanz. Bei dieser Entfernung ist dauernder Blickkontakt erwünscht.

Ein lediglich kurzer flüchtiger Blickkontakt würde vom Partner als ungehörig empfunden, solange man spricht. Viele Vorgesetzte nehmen bei Kritikgesprächen statt der persönlichen die gesellschaftlich-wirtschaftliche Distanz ein. Die weite gesellschaftliche Distanz gibt auch die Möglichkeit, auf höfliche Art zu zeigen, dass man keine Kommunikation wünscht: Sie erlaubt es beispielsweise der Empfangsdame, sich vom wartenden Besucher wieder abzuwenden und weiterzuschreiben.
 

Die öffentliche Distanz (Ansprachedistanz)

In der nahen öffentlichen Distanz von 4 bis 8 m befindet sich beispielsweise der Lehrer, der eine Schulklasse unterrichtet, der Vorgesetzte, der eine Ansprache an seine Mitarbeiter hält oder mit einer überschaubaren Gruppe im Betrieb spricht. Es ist die notwendige Distanz bei Vorträgen, weil der Redner erst bei diesem Abstand den gesamten Zuhörerkreis im Blickfeld behalten kann.

Interessanterweise halten sich auch bestimmte Tierarten dem Menschen gegenüber an die nahe öffentliche Distanz und lassen ihn nur bis auf diese Entfernung herankommen. Kommt der Mensch näher, weichen sie zurück, fliehen oder gehen zum Angriff über. Diese Eigenschaft machen sich Dompteure in der Manege zunutze. Der Dompteur geht geradewegs auf den Löwen zu. Sobald er sich ihm mehr als 4 - 6 m nähert, weicht der Löwe so lange zurück, bis ihn die Gitterstäbe des Käfigs hindern. Nähert sich der Dompteur weiter, geht nunmehr der Löwe auf den Dompteur zu. Der Dompteur nutzt die Situation und stellt das für den Löwen bestimmte Podest zwischen sich und das Tier. Um auf kürzestem Weg an den Dompteur heranzukommen, muss der Löwe auf das Podest klettern. In diesem Augenblick entfernt sich der Dompteur schnell aus der öffentlichen Distanz und hat den Löwen genau dort, wo er ihn haben wollte.

Raumfassung und -bedürfnis sind in verschiedenen Kulturen teilweise völlig verschieden. So neigen beispielsweise Japaner dazu, sich auf allerkleinstem Raum zusammenzudrängen, ein Verhalten, das sich sehr gut an japanischen Reisegruppen studieren lässt. Interessanterweise gibt es im Japanischen keinen äquivalenten Begriff für das deutsche Wort "Privatsphäre". Auch Araber lieben es, sich auf engstem Raum zu versammeln. Die relativ große private "Distanzblase" des Europäers, insbesondere des Deutschen, ist ihnen völlig fremd. Araber mögen ausgesprochen Enge, Drängeln und körperliche Nähe; dieses spezifische Distanzverhalten trägt wesentlich zum Flair orientalischer Basare bei. Die sprichwörtlich "unfreundliche Haltung" des New Yorkers in seiner völlig übervölkerten Stadt hat wahrscheinlich in Wirklichkeit nichts mit Unfreundlichkeit zu tun. Um die Privatsphäre nicht zu verletzen, ignoriert er sozusagen die Leute in der U-Bahn und im Straßengedränge.

Das Einhalten einer bestimmten Distanz zum anderen besitzt demnach den Charakter einer nichtverbalen Botschaft. Voraussetzung ist, dass die Kommunikationspartner das gleiche Raumbedürfnis haben. Ist dies nicht der Fall, so kann es rasch zu Missverständnissen kommen. Der angemessene Gesprächsabstand zwischen Fremden ist bei Mittelmeervölkern und Südamerikanern deutlich geringer als in Westeuropa und Nordamerika. Der Grieche oder Türke, der mit einem Deutschen oder Franzosen sprechen will, wird einen kürzeren Abstand zu seinem Gesprächspartner einnehmen, als wenn 2 Deutsche oder 2 Franzosen miteinander sprechen. Ein Deutscher, mit dem ein Türke spricht, kann dann leicht das Gefühl der Aufdringlichkeit bekommen und wird dann unbewusst etwas zurückweichen, um die für ihn richtige Distanz einzunehmen, was ein Türke oder Grieche wiederum als Herabsetzung oder Ausweichen empfinden könnte.



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Die richtige Sitzordnung
Die meisten Gespräche zwischen Arzt und Patient werden im Sitzen geführt. Gespräche im Stehen, auf Fluren oder zwischen Tür und Angel sollten, wenn irgend möglich, vermieden werden. Bei Krankenhausvisiten steht der Arzt meistens innerhalb der sogenannten weiten persönlichen Distanz am Krankenbett. Für den Gesprächsablauf günstiger (und für den Visitierenden weniger ermüdend) ist es, sich an das Bett des Patienten zu setzen. Damit wird auch der ungünstige Höhenunterschied zwischen dem stehenden und dem liegenden Gesprächspartner als äußeres Symbol der Gesprächsasymmetrie verringert. Visitengespräche vom Fußende des Bettes aus sind ungünstig, weil sich die Gesprächspartner bereits in der gesellschaftlichen Distanz befinden.

Die richtige Sitzordnung trägt nicht unwesentlich zum Klima eines Gesprächs bei. Der Pantomime Samy MOLCHO nennt das Sitzen "eine ideale Position für kommunikativen Austausch." MOLCHO: "Sitzen ist eine Körperhaltung, die dem Organismus Entspannung und Entlastung gewährt ... der Körper ist dabei imstande, ohne ständige Anspannung des gesamten Muskeltonus Aktivitäten auszuführen, in einer weiten Skala von Bewegungen und Gesten zu agieren, eine Fülle von Signalen zu geben, die fast den gesamten Code gesellschaftlicher Verständigung durchlaufen." Im Sitzen nehmen die Gesprächspartner eine feste räumliche Position zueinander ein, die für ihre Beziehung im Gespräch von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Die Entfernung zwischen den Sitzenden ist auch Ausdruck ihrer persönlichen Distanz. Sie bestimmt ferner die notwendige Lautstärke beim Sprechen, die Möglichkeiten gegenseitiger Beobachtung und die Modalitäten des Blickkontakts. Der gewählte "Sitzcode" hat Symbolcharakter, den die Gesprächspartner meist unbewusst richtig deuten.

Die Sitzhöhe der Gesprächspartner sollte gleich sein. Sitzt der Gesprächspartner am Schreibtisch und platziert sein Gegenüber in einen tiefen Sessel, so kann dies ein Gefühl der Unterlegenheit auslösen.

Die optimale Gesprächsdistanz beträgt 90 - 150 cm. Die Entfernung kann durch Händegeben noch überbrückt werden. Auch die erforderliche Lautstärke beim Sprechen reicht für problematische oder heikle Themen aus, ohne dass die Gefahr besteht, dass andere in angrenzenden Räumen mithören können. Bei Gesprächen mit mehreren Personen (z.B. Angehörigen) ist die gesellschaftliche Distanz (2 - 3 m) am günstigsten.

Der Tisch, an dem die Gesprächspartner sitzen, sollte nicht breiter als 80 -100 cm sein. Für das Gespräch zwischen Arzt und Patient kommen 2 Sitzpositionen in Frage: Das Sitzen vis à vis und das Sitzen über Eck (siehe Abbildung).

Abb.: Sitzen vis à vis - Sitzen über Eck

Das Sitzen vis à vis zeigt an, dass man sich ganz seinem Gesprächspartner widmet und sich voll auf ihn konzentriert. Dennoch wird diese Sitzposition nicht von allen Gesprächspartnern als angenehm empfunden. Manche Menschen fühlen sich zu direkt mit ihrem Gesprächspartner konfrontiert. Nicht umsonst wird diese Sitzposition von Behördenbeamten gewählt, um das Publikum "abzufertigen." Nimmt der eine Gesprächspartner dann noch Papiere, Schriftstücke oder Röntgenfilme in die Hand, können diese wie eine Barriere wirken. Die Gegenüberform des Sitzens ist auch die typische Sitzordnung für das "Vorgesetztengespräch."

Das Sitzen über Eck in einem Winkel zwischen 90 und 150 Grad bietet einige Vorteile. Der manchmal unvermeidbare "frontale Einschüchterungscharakter" der Gegenüber-Sitzposition wird vermieden. Beim Sitzen über Eck ist durch die Variabilität des Winkels zwischen den Gesprächspartnern eine bewegliche Gesprächssituation gegeben. Eine derartige "schräge Schreibtischsituation" (Sprechsituation über die linke Schreibtischecke) erlaubt es dem Gesprächsführenden, sich Notizen zu machen und Unterlagen anzusehen, ohne sie direkt zwischen sich und seinen Gesprächspartner halten zu müssen. Ferner lassen sich bei dieser Sitzposition leichter Gesprächspausen einlegen. Änderungen der Position der Gesprächspartner werden nicht so stark wie bei der reinen Gegenüber-Sitzposition als Abwendung empfunden. Schließlich lässt sich die Gesprächsdistanz etwas variieren. Über- oder Unterschreitungen der Distanz von 90 -150 cm sollten jedoch möglichst vermieden werden. Größere Distanzen werden als "Distanziertheit" und mangelnde Zuwendung interpretiert, ein geringerer Abstand kann als Einbruch in die intime Distanz empfunden werden und Unbehagen oder Aggressionen auslösen.

Es gibt Ärzte, die sich gemeinsam mit ihrem Patienten vor ihren Schreibtisch setzen. Diese Sitzposition drückt den Wunsch aus, auch räumlich zu signalisieren, dass keine Asymmetrie zwischen Arzt und Patient besteht. Von vielen Patienten wird diese Sitzhaltung auch in diesem Sinne empfunden. Der Nachteil dieser Sitzordnung besteht darin, dass der Arzt sich kaum schriftliche Notizen anfertigen kann und dass manche Patienten das direkte Gegenübersitzen als zu intime Sitzposition empfinden.



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Sitzhaltungen
Die Sitzhaltung eines Gesprächspartners ist Teil seiner Körpersprache und damit auch Bestandteil des Gesprächs. Die Art, wie jeder sitzt, erlaubt Rückschlüsse auf seine augenblickliche Stimmung, seine innere Verfassung, sein Wesen und seine Einstellung zum Gesprächspartner. S. MOLCHO analysiert die Ausdrucksbedeutung der Sitzhaltung folgendermaßen:
  • Haltung des Oberkörpers: Aufrechte, gestraffte Haltung signalisiert Dynamik und Vitalität, ein zusammengesunkener Oberkörper Antriebsmangel und evtl. depressive Verstimmung. Die Neigung des Oberkörpers zum Partner spiegelt ein Interesse am Gegenüber wider und gilt als Einladung zum Dialog, ein zurückgelehnter Oberkörper bedeutet Skepsis, Abneigung oder innere Ablehnung. Dabei können jedoch Körpersprache und Wörtersprache einander widersprechen: Einer, der verbal zustimmt und sich dabei zurücklehnt, distanziert sich von seinen eigenen Worten. Im Zweifelsfall gilt die Regel: Der Körper lügt nicht.
  • Vorsichtiges Sitzen auf der Stuhlkante signalisiert Zeitmangel oder Auf-dem-Sprung-Sein. Es kann sich auch um Zeichen der Unterwürfigkeit und Unsicherheit handeln oder den Wunsch zum Gesprächsabbruch signalisieren. Das starke Zurücklehnen und Wippen auf den Hinterbeinen des Stuhls entspricht dem Rückzug in die Position des Beobachters und eine abwartende Haltung. Kurzes Anheben oder Zurechtrücken des Sitzes ist Zeichen des Unbehagens und ein Körpersignal des Gesprächspartners, dass er am liebsten gehen möchte.
  • Der Beinhaltung im Sitzen kommt ebenfalls eine Ausdrucksbedeutung zu. Werden die Füße an den Knöcheln übereinandergeschlagen, so kann dies Zurückhaltung, innere Spannung und Gefahr bedeuten. Umschlingen die Füße die Stuhlbeine, so ist dies Ausdruck einer starren, unnachgiebigen Position, während locker übereinandergeschlagene Beine für Aufgeschlossenheit, aber auch eine gewisse Reserve sprechen. Ein offener, legerer Sitz mit vorgestrecktem Bein demonstriert Vertraulichkeit, aber auch territoriale Ansprüche, ein breiter Sitz mit quergelegtem Schienbein eine schützende Barriere. Sitzen 2 Personen mit übergeschlagenen Beinen nebeneinander und zeigen die Fußspitzen zueinander, ist dies ein Zeichen von Kontaktsuche und Zuwendung, während einander abgewandte Fußspitzen Differenzen und Abstand signalisieren.
  • Als Haltung, des "braven Kindes", hinter dem sich nicht selten Verkrampfung, Unsicherheit und Ängste verbergen, gilt vor allem bei Frauen das aufrechte Sitzen mit geschlossenen Knien und Fußknöcheln, vielleicht noch mit einer Handtasche auf dem Schoß.
Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass bei der Interpretation von Körpersprache sich Regeln finden lassen, die für viele Menschen zutreffen, keineswegs aber für jeden gelten. Alle starren, "Wenn-dann-Auslegungen" (wenn sich jemand an die Nase fasst, dann ist er verlegen) können auch zu Fehlinterpretationen führen. Erst das synchrone Erfassen und Analysieren verbaler und nichtverbaler Kommunikationsformen erlaubt es am ehesten zu verstehen, welche Botschaften in Wirklichkeit vom Gesprächspartner ausgehen (siehe auch Kapitel "Körpersprache" Link).
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Linus Geisler: Arzt und Patient - Begegnung im Gespräch. 3. erw. Auflage, Frankfurt a. Main, 1992
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Autorisierte Online-Veröffentlichung: Homepage Linus Geisler - www.linus-geisler.de

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