Die Pause im Gespräch
Wie das Sprechen ist auch die Pause ein essentieller
Bestandteil des Gesprächs. Die Pause ist eine besondere
Form des Schweigens. Sie kann gewollt und bewusst eingelegt werden
oder ungewollt auftreten. Luban-Plozza bezeichnet Gesprächspausen
als "affektive Knotenpunkte" im Gespräch.
Je nach ihren Gründen kann die Gesprächspause
als konstruktives Element der Gesprächsführung dienen
oder Ausdruck einer problematischen Gesprächssituation
sein. Wegen des ambivalenten Charakters der Gesprächspause ist es
wichtig, ihren vermutlichen Grund rasch zu analysieren und zu lernen, sie
gesprächstechnisch wirkungsvoll einzusetzen. Der produktiven, unter
Umständen sogar schöpferischen Funktion der Pause steht ihre
Funktion als Signal einer problematischen Gesprächsentwicklung gegenüber.
Generell kann eine Entschärfung des Problemcharakters der Pause dadurch
erreicht werden, dass ihr Grund für die Gesprächspartner erkennbar
wird. Es ist also beispielsweise besser, wenn der Arzt, der sich im Augenblick
über die richtige Weiterführung des Gesprächs unsicher ist,
dem Patienten sagt: "Diesen Punkt möchte ich mir kurz überlegen"
und dann eine kurze Entscheidungspause einlegt, als wenn er stumm und undurchsichtig
seinem Gesprächspartner gegenübersitzt.
Nach ihren Gründen lassen sich
die Gesprächspausen in folgende Gruppen unterteilen:
Entscheidungspausen
Sie erlauben es dem Patienten, über das
Gesprochene kurz nachzudenken, es zu verarbeiten oder den weiteren Gesprächsverlauf
zu überdenken. Zum konstruktiven Gesprächsverlauf gehört
also, nicht nur sich selbst, sondern auch seinem Gesprächspartner
eine Pause einzuräumen. Sie ist kein Zeitverlust, sondern eher
ein Zeitgewinn, weil sie letztlich der Gesprächsstrukturierung dient.
Auch für das kurze Verarbeiten von
Botschaften sind Pausen im Gespräch erforderlich. Damit wird ein Überfahren
oder Überfordern des Patienten vermieden. So ist es beispielsweise
falsch, einem Patienten, dem gerade eine schwerwiegende Diagnose eröffnet
wurde, ohne Pause sofort die verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten
aufzuzeigen. Beendigung oder Wechsel eines Themas lassen sich ebenfalls
durch eine Pause deutlich machen.
Meist macht die Körpersprache
den Grund der Pause deutlich. Pausen, die der Besinnung oder dem Überlegen
dienen, gehen meist mit einer Unterbrechung des Blickkontakts einher. Dient
die Pause dazu, ein Thema zu beenden, so nimmt der Partner meist unmittelbar
vor Beginn der Pause ungerichteten Blickkontakt auf, unterbricht ihn dann
und nimmt ihn in kurzen Zeitabständen wieder auf, und zwar meist ungerichtet,
wenn er über die Fortsetzung des Gesprächs nachdenkt, dagegen
gerichtet und damit fragend, wenn er eine Reaktion erwartet (DAHMER und
DAHMER).
Die Pause als kontaktives Geschehen
Die Pause, die der Gesprächspartner einlegt,
der im Gespräch an der Reihe wäre, kann eine deutliche Kontaktfunktion
besitzen. Die Pause als besondere Form des Schweigens kann ferner Ausdruck
aktiven Zuhörens sein. Mit anderen Worten: Die Pause kann bewusst
eingelegt werden, um auszudrücken: Ich habe verstanden, was du mir
gesagt hast, oder: Ich stimme dir zu.
Der Charakter der Zustimmung oder
des Verstehens wird in der Regel durch nonverbalen Ausdruck (Nicken, Zulächeln)
verdeutlicht.
Fehlt die nonverbale Unterstreichung, ist
ein Missverständnis nicht auszuschließen, weil der Gesprächspartner
leicht verunsichert sein oder das Gefühl bekommen kann, seinen Partner
im Gespräch nicht erreicht zu haben. Die rein vokale kurze Zustimmung
innerhalb der Pause, z.B. durch "mhm" kann sehr nützlich sein, weil
sie eine aktive verstehende Zuwendung signalisiert, nicht aber bereits
Zustimmung einschließt. So einfach diese Reaktion erscheint, so nützlich
kann sie sein, um einen Gesprächspartner durch die zustimmende Pause
das eigene Interesse erkennen zu lassen und ihn dadurch zum Weitersprechen
und zur thematischen Vertiefung zu motivieren.
Pausen durch Blockierung
Sie sind im engeren Sinne nicht natürliche
Sprechpausen, sondern unerwünschte Gesprächsunterbrechungen.
Sie haben meist emotionale Gründe, können daher quälenden
Charakter bekommen und leicht ihrerseits emotionale Reaktionen auslösen.
Für
Gesprächsblockierungen gibt es eine ganze Reihe von
Gründen:
Der Gesprächspartner kann gehemmtsein,
weil der Gesprächsinhalt ihn belastet oder er Probleme hat, sich zu
öffnen, bzw. weil noch keine tragfähige Vertrauensbasis im Gespräch
entwickelt worden ist. Die Beachtung der Körpersprache des Gesprächspartners
kann zur Erkennung und Aufschlüsselung von Hemmungen nützlich
sein.
Es kann eine Situation der Ablehnung
(Widerstand) bestehen. Der Patient ist nicht gesprächsbereit, entweder
weil er das angeschnittene Thema meiden möchte oder weil er den Arzt
als Gesprächspartner ablehnt. Liegen deutliche Zeichen der Ablehnung
vor ,so ist es wenig zweckmäßig, das Gespräch fortzusetzen.
Es empfiehlt sich vielmehr, den Grund der Gesprächsunterbrechung klar
anzusprechen (Metakommunikation) und mit einem späteren Gesprächsangebot
zu verbinden. Beispiel: "Ich habe den Eindruck, dass Sie über diese
Sache jetzt nicht sprechen möchten. Ich schlage vor, dass wir uns
zu einem für Sie günstigeren Zeitpunkt noch einmal darüber
unterhalten."
Die Gesprächspause kann ihre Ursache
auch darin haben, dass das Gespräch einen Punkt erreicht hat, in dem
eine Konfliktsituation deutlich wird. Das gleiche gilt für
Situationen, in denen ein Gespräch den sogenannten kritischen Punkt
erreicht hat. Um ein emotionales Aufschaukeln oder Überborden zu vermeiden,
wird die Gesprächspause als stabilisierendes Moment benutzt. Die Pause
signalisiert dann sozusagen die "Ruhe vor dem Sturm".
In solchen Fällen tritt nur verbal
Ruhe ein, während die Körpersprache sehr deutlich die drohende
"Explosion" im Gespräch ankündigt. Hier ist im übrigen eine
typische Situation des Auseinanderklaffens von verbaler und nonverbaler
Kommunikation gegeben.
Schließlich kann der Arzt beim Patienten
Gesprächspausen auslösen, weil dieser ihn nicht versteht oder
- besser gesagt - weil der Arzt ihn überfordert. Das Nichtverstehen
kann sich auf rein sachlicher Ebene, aber auch im Emotionalen abspielen.
Auch die Überforderung kann sowohl die kognitiven Funktionen
als auch die emotionale Tragfähigkeit betreffen.
Die emotional bedingte Pause im Sinne der
Blockierung führt häufig zur Unterbrechung des Blickkontakts
und auch zum Abwenden des Gesichts. Die Abwendung weist in der Regel auf
Ablehnung, Hemmung oder Konflikt hin, während Überforderung und
Nichtverstehen mimisch mehr mit dem Ausdruck des Hilfesuchens verbunden
sind.
Es gibt eine Reihe von gesprächstechnischen
Möglichkeiten, derartige Blockierungen zu lösen. Auf sie
wird später ausführlich eingegangen.
Gesprächspausen durch Unterbrechung
Sie können vielfältige Gründe
haben.
Erinnerungsschwierigkeiten oder Gedächtnisprobleme
sind gerade beim älteren Menschen eine häufige Ursache von Gesprächsunterbrechungen.
Die Körpersprache verrät dabei die innere Unruhe und Anspannung
des Gesprächspartners. Besonders unliebsame Unterbrechungen resultieren
aus
rein äußeren ungünstigen Umständen, wie Lärmbelästigung,
Telefonklingel, Unterbrechungen durch andere. Unterschiedliche individuelle
Störschwellen
bewirken, dass für den einen Gesprächspartner der Grund der Unterbrechung
offensichtlich, für den anderen weniger deutlich ist. Meist wird der
Gesprächspartner, der ein besonders dringliches Anliegen schildert,
durch derartige äußere Störfaktoren weniger beeinflusst
als der aktiv Zuhörende.
Bei Visiten im Krankenhaus fällt es
beispielsweise auf, dass Patienten das Weiterlaufen des Radios nicht als
störend empfinden, während der zuhörende Arzt sich deutlich
gestört fühlt. Gerade bei Gesprächen mit Kranken werden
natürliche Faktoren wie Müdigkeit, Erschöpfung oder
Schmerzen Gesprächspausen erzwingen, die selbstverständlich
respektiert werden müssen.
Der Satz: "Ein Gespräch lebt von seinen
Pausen" (WEISBACH und Mitarbeiter) ist ebenso richtig wie die Erkenntnis:
"Pausen können der Tod eines Gesprächs sein." Der Grund
für die Pause im Gespräch ist ausschlaggebend für die Bedeutung.
Die Vorteile der bewusst eingesetzten
Gesprächspause liegen auf der Hand:
-
Möglichkeit zum Überlegen, Nachdenken
und Aufarbeiten,
-
Beruhigung des Sprechflusses,
-
Förderung der Intensität und Menge
der Botschaften,
-
Signalisieren von Themawechsel oder -ende,
-
Möglichkeit zum emotionalen Ausklingen,
-
Senken des Aggressionspegels beim Gesprächspartner.
Mögliche Nachteile der Gesprächspause
bzw. -unterbrechung sind:
-
Bruch in der Gesprächslinie,
-
Missverständnisse (Fehldeutung als Desinteresse,
mangelnde Zuwendung oder Überheblichkeit),
-
Gefühl der Frustration (Gesprächspartner
fühlt sich alleingelassen),
-
emotionale Belastung (besonders bei langen
Pausen und wenn der Gesprächspartner sich über den Grund der
Pause unklar ist),
-
Erzeugen von Angst, wenn die Ursache der Gesprächspause
unklar bleibt.
Die Reaktion auf Gesprächspausen
ist von großer Bedeutung für den Fortgang des Gesprächs.
Wichtig ist zunächst die Unterscheidung, ob es sich um natürliche
Sprechpausen (Entscheidungspause, kommunikative Pause) handelt oder
um Pausen durch Blockierung oder unerwünschte Unterbrechung.
Die Beobachtung nonverbaler Botschaften
des Gesprächspartners erleichtert die Einordnung in natürliche
Sprechpausen oder Gesprächsunterbrechungen. Von den natürlichen
Sprechpausen "lebt das Gespräch" tatsächlich, während Blockierungen
und Unterbrechungen auf einen Gesprächspartner ausgesprochen quälend
wirken können, was in der Regel durch Körpersprache signalisiert
wird. Die Überwindung von Blockierungen und Unterbrechungen im Gespräch
kann eine ausgesprochen entlastende und lösende Wirkung auf den Gesprächspartner
ausüben. Gesprächspausen sind daher keineswegs "Gesprächslücken",
die unter allen Umständen und krampfhaft überwunden werden müssen.
Der weniger Geübte neigt eher zu einem solchen Verhalten als der erfahrene
Gesprächspartner, der Pausen taktisch bewusst einsetzen kann und ihre
Vorteile kennt. Überspielen, Weiterreden oder Wiederholungen sind
in den meisten Fällen wenig geeignet, das Gespräch trotz Unterbrechung
wieder in Gang zu bringen oder zu halten.
-
Die Pause im Gespräch erfordert eine
adäquate
Reaktion:
-
Analyse der Ursache,
-
Fähigkeit, Pausen anzunehmen,
-
Hilfen anbieten,
-
Pausenbedürfnis respektieren.
Die Fähigkeit, zum richtigen Zeitpunkt
Pausen im Gespräch einzulegen, ist an die Fähigkeit, geduldig
zuhören zu können, gebunden.
Die richtige Pausentechnik
Zum Erlernen der richtigen Pausentechnik
empfiehlt
R. LAY: "Sprechen Sie erst, wenn der andere wenigstens 3 Sekunden schweigt."
Dieses Verhalten ist allerdings nur für das Training geeignet. LAY
führt aus, dass eine Pause von mindestens 3 Sekunden im Training scheinbar
leicht zu proben ist, wenn man sich über die Dauer von 3 Sekunden
klar wäre. Zahlreiche Tests haben ergeben, dass eine Sprechpause von
etwa 1,8 - 2,2 Sekunden kaum mehr emotional toleriert wird (mitunter auch
nicht von dem, der bislang sprach), so dass einer der Partner unter Sprechzwang
vorzeitig die Pause beendet.
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1. Gesprächsfördernde
Pausen
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Entscheidungspausen: |
nachdenken |
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überlegen |
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verarbeiten |
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Thema wechseln/beenden |
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Kommunikative Pausen: |
Verständnis |
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Zustimmung |
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Gesprächspausen |
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2. Gesprächshemmende
Pausen
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Blockierungen: |
Hemmung |
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(Ursachen) |
Ablehnung |
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Konfliktsituation |
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emotionale Überwältigung |
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nicht Verstehen |
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Überforderung |
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Unterbrechungen: |
äußere Störfaktoren |
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Müdigkeit, Erschöpfung |
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Schmerz
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Dieses Training zeigt sehr bald, wie häufig
wir geneigt sind, unsere Gesprächspartner zu unterbrechen, und nicht
die Fähigkeit besitzen, notwendige Gesprächspausen einzulegen.
Unterbrechen
oder Nicht-Aussprechen-Lassen ist das Gegenstück zur bewusst eingesetzten
Gesprächspause. Besonders der vielredende Gesprächspartner ("Dauerredner")
provoziert leicht die Gesprächsunterbrechung. Eine Gesprächsunterbrechung
lohnt in aller Regel nicht, weil nur Ausredenlassen die Chance bietet,
die aktuellen Anliegen des Partners erfassen zu können.
Das Einlegen von Pausen ist vor
allem dann
dringend zu empfehlen, wenn der Gesprächspartner
"emotional überwältigt" ist. Die Pausentechnik eignet sich ferner
gut, wenn Konflikte im Gespräch zum allmählichen wechselseitigen
"emotionalen Aufschaukeln" des Gesprächspartners führen. Der
Aggressionspegel eines Gesprächspartners lässt sich durch Ausredenlassen
und zusätzliche Pausen deutlich senken.
Die günstigste Länge der Pause
im
Gespräch muss intuitiv erfasst werden, weil die zu lange Pause ebenfalls
frustrierend wirken, zu Missverständnissen und Ängsten führen
und ihrerseits wieder aggressionsfördernd wirken kann.
Hilfe bei Gesprächsunterbrechungen
Pausen oder Unterbrechungen, die emotional
quälend wirken, den Gesprächsfluss übermäßig
hemmen oder drohen, zum völligen Gesprächsabbruch zu führen,
können durch verschiedene Hilfen des Gesprächsführenden
überwunden werden:
Der Gesprächspartner darf nicht das
Gefühl bekommen, dass die Gesprächspause, die er einlegt, für
den anderen belastend ist, weil dies seine Blockierungen noch verstärkt.
Der Arzt muss also dem Patienten zeigen, dass er die Pause akzeptiert,
dass sie ihn selbst nicht belastet und dass er weiterhin gesprächsbereit
ist. Gleichzeitig kann er den Patienten anregen, weiterzusprechen.
Beispiele:
"Überlegen Sie in aller Ruhe",
"Sie haben genügend Zeit, darüber
nachzudenken",
"Es macht nichts, wenn Sie sich die Sache
überlegen wollen",
"Wir können gerne weitersprechen,
sobald Sie sich diesen Punkt überlegt haben."
Mit dem letzten Satz wird dem Patienten
nicht nur Gelegenheit gegeben, nachzudenken, sondern auch ein Anstoß
gesetzt, das Gespräch weiterzuführen. Dies kann auch mit anderen
Wendungen erfolgen:
"Sollen wir jetzt über diesen Punkt
weitersprechen?",
"Sprechen Sie ruhig darüber, wenn
Sie diesen Punkt jetzt für wichtig halten."
Wenn wir uns nicht im klaren sind, worauf
die Gesprächsunterbrechung durch den Partner zurückzuführen
ist, können wir ihm durch
Wiederholung anbieten, das vorherige
Gesprächsthema wieder aufzugreifen. Seine Reaktion zeigt uns dann,
ob die Gesprächspause eine natürliche Pause war oder ob ihr eine
Blockierung zugrunde liegt, zum Beispiel:
"Sie sprachen gerade über die Probleme,
die Sie mit Ihrem Sohn haben."
"Sie haben mir gerade erzählt, dass
Sie sich wegen des Kältegefühls in den Beinen etwas Sorgen machen.
Welche Befürchtungen haben Sie konkret?"
Ergeben sich aus dem zuvor Gesagten und
dem nonverbalen Ausdruck Zeichen der Hilflosigkeit beim Gesprächspartner,
so kann durch Brückenbauen der Dialog wieder aufgenommen werden.
"Ich sehe, dass Sie das Ganze verständlicherweise
sehr belastet. Erzählen Sie mir einfach, wo Sie die größten
Schwierigkeiten sehen."
"Je genauer Sie mir erzählen, wo
Ihre Schwierigkeiten liegen, um so leichter wird es uns fallen, das Problem
zu lösen."
Den Effekt einer Blockierung kann
man aufzuheben versuchen, indem man sie im Sinne der Metakommunikation
direkt
anspricht.
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Hilfe bei Gesprächspausen durch
Blockierung
-
Pause erkennbar akzeptieren.
-
Pause als Entscheidungsphase anbieten.
-
Gesprächsthema durch Wiederholung
wieder aufgreifen.
-
Bei Zeichen der Hilflosigkeit Brücken
bauen.
-
Blockierung direkt ansprechen
(Metakommunikation).
-
Bei drohendem Gesprächsabbruch Gesprächsverschiebung
anbieten.
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Das befreit den Gesprächspartner vom
Druck der unerwünschten Pause und bietet ihm die Möglichkeit,
ohne "Gesichtsverlust" das Gespräch wieder aufzunehmen. Beispiele:
"Es fällt Ihnen jetzt schwer, darüber
zu sprechen."
"Kostet es Sie Überwindung, über
diesen Punkt zu reden?"
"Ich kann gut verstehen, dass Sie jetzt
zögern, weiterzusprechen."
Der Patient, der zu weinen droht oder emotional
überwältigt wird, ist fast immer blockiert und unfähig,
weiterzusprechen. Hier müssen sehr behutsame Worte gewählt werden,
um die Situation nicht emotional noch weiter aufzuschaukeln. Sätze
wie: "Weinen Sie sich ruhig aus!" oder "Der Tod Ihres Mannes geht Ihnen
doch sehr nahe", führen mit größter Sicherheit zu einer
Verstärkung des emotionalen Drucks oder zum Tränenausbruch.
Wenn also der Gesprächsabbruch
droht, ist es eine Frage der Einschätzung des Gesprächsklimas,
ob eine Pause oder eine Verschiebung des Gesprächs angeboten wird.
Beispiele:
"Vielleicht möchten Sie sich etwas
beruhigen; danach können wir weitersprechen."
"Vielleicht hilft es Ihnen, wenn wir jetzt
eine kurze Pause einlegen und danach versuchen, über das Problem weiterzusprechen."
Ist klar erkennbar, dass der Patient nicht
in der Lage ist, das Gespräch fortzuführen, sollte vom Arzt das
Angebot zur Verschiebung des Gesprächs ausgehen, um den Patienten
nicht zusätzlich zu belasten. Am besten ist es, den Vorschlag ganz
offen zu unterbreiten:
"Ich habe den Eindruck, dass es am besten
ist, wenn wir das Thema beim nächsten Mal besprechen."
"Heute sollten wir über dieses Problem
nicht mehr sprechen, beim nächsten Mal können wir uns in Ruhe
wieder darüber unterhalten."
Das Thema muss beim nächsten Gespräch
aber wirklich wieder aufgegriffen werden.
Natürliche Gesprächspausen
sind unerlässliche Zäsuren im Gespräch. Sie dienen der
Aufarbeitung von Botschaften während des Gesprächs, sie fördern
den Gesprächsfluss, modulieren emotionale Störeinflüsse
und bilden eine nonverbale Ergänzung des Gesprächs. Das Gespräch
"lebt von seinen Pausen" auch deshalb, weil sie die natürliche Eigendynamik
des Gesprächs mitbestimmen. Es ist also keineswegs so, dass in den
Gesprächspausen "nichts geschieht", im Gegenteil. Unter Umständen
kann die Gesprächspause mehr bewirken und mehr ausdrücken als
das gesprochene Wort.
Nicht-Sprechen durch
Sprechen
oder: Die Hohe Schule der kommunikativen
Unverbindlichkeiten
Schweigen kann sehr beredt sein - und Reden
ohne Aussage. Mit anderen Worten: Durch Sprechen wird manchmal weniger
gesagt als durch Nicht-Sprechen. Diese Art, miteinander zu reden, ist in
der Alltagssprache weit verbreitet. Es sind die Techniken
-
der kommunikativen Unverbindlichkeiten
("Fast könnte man annehmen, daß ...");
-
der Man-Appelle ("Möglicherweise
sollte man da härter durchgreifen ...");
-
der unbestimmten Einschränkungen
("im großen und ganzen, gewissermaßen ...");
-
der Verallgemeinerungen ("Im allgemeinen
wirken die Tabletten aber doch gut");
-
des Operierens mit Möglichkeitsformen
("Es wäre vorstellbar, dass ...");
-
der "Killerphrasen" ("Ich sehe gar
nicht, wieso das für Sie ein Problem darstellt");
-
der "trojanischen Pferde" im Gespräch,
d.h. Scheininformationen, in deren "Bauch" Appelle oder Selbstdarstellungen
eingeschleust werden.
Alle diese sprachlichen Unarten und weitverbreiteten
Kommunikationstechniken, die für das ärztliche Gespräch
tabu sein sollten, weisen folgende gemeinsame Merkmale auf:
-
Sachliche Festlegungen werden vermieden,
-
die Sprache wird gebraucht bzw. missbraucht,
um die wahren Sachverhalte zu verdecken, und
-
die Scheu vor der persönlichen Identifizierung
mit einer Aussage führt zum Ausweichen in scheinbar "allgemeingültige"
Formulierungen.
Diese Sprache wimmelt von Wendungen wie "eigentlich",
"an und für sich", "gewissermaßen", "sozusagen", "vielleicht",
"und so weiter". Das Verführerische an dieser Gesprächstechnik
besteht darin, dass sie es dem Gesprächsführenden ganz gut ermöglicht,
im Gespräch über die Runden zu kommen, weil der Gesprächsverlauf
äußerlich geglättet wird. In Wirklichkeit kommt das Gespräch
jedoch nicht voran. Daher zählen diese kommunikativen Unverbindlichkeiten
zu den starken Kommunikationsstörern.
Häufig gebrauchte "Kommunikationsstörer"
Man-Aussagen
Man-Aussagen sind eine beliebte sprachliche
Technik der Selbstverbergung. Im Alltagsleben gibt es dafür zahllose
Beispiele:
"Man sollte gut darüber nachdenken,
wofür man sein Geld ausgibt" (statt: "Ich rate dir, darüber nachzudenken,
was du mit deinem Geld machst."), "Man kann nicht alles haben" (statt:
"Meiner Meinung nach verlangst du zu viel").
Diese Man-sollte-, Man-müßte-,
Man-könnte-Wendungen sind Appelle mit halbem Herzen. Ihre Überzeugungskraft
ist daher gering, denn der Ratschlaggebende wählt die Tarnkleidung
der Man-Formulierung, um sich selbst möglichst nicht zu exponieren.
Es-Sätze
Es-Sätze stellen ebenfalls eine Methode
der Selbstverbergung dar, sie anonymisieren eine rein persönliche
Meinung und versuchen zudem, ihr den Charakter der Allgemeinverbindlichkeit
zu verleihen: "Es steht außer Zweifel, dass die jetzige Regierung
unfähig ist." "Es ist zu erwarten, dass dieses Bühnenstück
literarisch kaum Bestand haben wird."
Die Es-Technik wird auch dazu angewandt,
Kritik zu üben, ohne sich persönlich zu exponieren: "Es ist halsstarrig,
nie von einer Meinung abzuweichen" (statt: "Ich halte dich jetzt für
halsstarrig.")
Es-Aussagen werden auch benutzt, wenn der
Sprechende Ansichten, Meinungen und Wertungen anderer (Partner, Eltern,
Gesellschaft) wiedergibt, ohne sich tatsächlich mit ihnen zu identifizieren.
Oft handelt es sich dann um zwar "geschluckte", aber nicht wirklich "verdaute"
Meinungen. Mit Es-Aussagen im ärztlichen Gespräch wird der Patient
häufig gar nicht erreicht, weil sie zwar den Charakter der Allgemeingültigkeit
aufweisen, aber gerade dadurch auch unverbindlich und unpersönlich
wirken. Es handelt sich um "freischwebende Informationen" zwischen den
Gesprächspartnern, deren Appellwirkung sehr gering ist.
Übertreibungen und Verallgemeinerungen
Ein typisches Beispiel aus dem klinischen
Alltag ist der Satz: "Sie werden immer mit Ihrem Magen Probleme
haben, wenn Sie die Tabletten nie regelmäßig einnehmen."
Übertreibungen und Verallgemeinerungen
zählen zu den klassischen "Gesprächsstörern", weil die Aussagen
sachlich nicht richtig und meist ohne Überzeugungskraft sind. Der
Argumentation wird ein Gewicht beigemessen, das sie in der Realität
nicht besitzt. Der Gesprächspartner fühlt sich dadurch erdrückt
oder reagiert mit überzogener Gegenwehr.
Die Verallgemeinerung ist eine typische
Gesprächstechnik, die zur Asymmetrie führt, weil sie ein
Autoritätsgefälle aufbaut. Sie ist ein beliebtes Sprachmittel
bei Eltern-Kind-Auseinandersetzungen oder "Gesprächen" zwischen Vorgesetzten
und Untergebenen. Immer und nie sind häufige Bestandteile
sogenannter Killerphrasen. Sie erdrosseln das Gespräch, weil sie eine
vernünftige Argumentation unmöglich machen.
Unbestimmte Einschränkungen
Es lohnt sich, bewusst darauf zu achten,
wie häufig in der Umgangssprache unbestimmte Einschränkungen
benutzt werden: "unter Umständen", "gewissermaßen", "im großen
und ganzen", "an und für sich", "irgendwie", "eigentlich", "und so
weiter" ...
Wir benutzen diese Worte, wenn wir etwas
(noch) nicht mit Bestimmtheit sagen können oder wollen. Insofern sind
unbestimmte Einschränkungen ein nicht verzichtbarer Bestandteil unserer
Sprache. Ihre ständige Verwendung eröffnet jedoch sprachliche
Schlupfwinkel und Fluchtwege, um sich vor klaren Aussagen zu drücken.
Auf dem Verschiebebahnhof der eigenen Untersicherheit werden mit diesen
Wörtern Aussagen, Entscheidungen und Wertungen sozusagen auf Abstellgleise
geschoben.
Unbestimmte Einschränkungen, die in
der Umgangssprache akzeptabel sein und dort eine gewisse Schutzfunktion
entfalten können, bilden im Gespräch zwischen Arzt und Patient
eine häufige Quelle von Missverständnissen, Beunruhigungen und
Ängsten. Der Patient, der hört, dass seine Operation "im großen
und ganzen" erfolgreich war, kann leicht verstehen, dass sie doch nicht
ganz erfolgreich war. Ein Patient, der erfährt, dass "eigentlich"
ein solcher Anfall nicht mehr auftreten kann, wird kaum beruhigt sein,
weil diese Formulierung nicht ausschließt, dass die Gefahr eines
neuen Anfalls doch besteht. Und wenn "unter Umständen" eine Untersuchung
wiederholt werden muss, wird sich der Patient beunruhigt fragen: unter
welchen Umständen?
Unbestimmte Einschränkungen verstoßen
auch gegen die Grundforderung der erfolgreichen und verständlichen
Sprache, die einfach, kurz, anschaulich und geordnet ist. Natürlich
bedeutet dies nicht, dass unbestimmte Einschränkungen im ärztlichen
Gespräch absolut zu vermeiden sind. Gezielt und sparsam eingesetzt,
können sie eine Überbrückungshilfe in wirklich unklaren
und noch nicht ganz überschaubaren Situationen sein. Entscheidend
ist jedoch, dass der Arzt darauf achtet, wie diese Einschränkungen
beim Patienten "ankommen". Wird damit erreicht, dass ein vorläufig
noch nicht geklärter Punkt in gegenseitigem Einverständnis "vertagt"
werden kann, bedarf es keiner weiteren Erläuterungen. Erscheint der
Patient jedoch unbefriedigt oder verängstigt, oder bauen sich Missverständnisse
auf, muss eine weitere Klärung folgen.
Wir-Aussagen
Wir-Aussagen haben einen ambivalenten Charakter,
weil sie aus sehr unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen
Intensionen verwendet werden. Ein Politiker, der in seiner Rede sagt: "Wir
sind überzeugt, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage in absehbarer
Zeit eintreten wird", verwendet die Wir-Aussage als Stärkung
der eigenen Person. Der Vater, der zum Sohn sagt: "Wir machen uns Sorgen
um deine schlechten Zeugnisnoten", übt verstärkten Druck aus,
weil er stellvertretend für andere, hier für den anderen Elternteil,
mitspricht. Wenn in einer Diskussionsbemerkung gesagt wird: "Wir sollten
die Tatsache nicht außer acht lassen, dass die Arbeitsmoral von Gastarbeitern
öfter zu wünschen übrig lässt", dann wird hier eine
persönliche Meinung hinter dem unbestimmten "Wir" versteckt. Der Krankenpfleger,
der zu dem Patienten sagt: "Jetzt nehmen wir schön diese Tablette
ein, damit wir heute nacht besser schlafen", versucht durch die Wir-Aussage
ein Gefühl von Gemeinsamkeit und Verständnis auszudrücken.
Mit Wir-Aussagen kann die eigene Person
aus der Schusslinie genommen werden, um unbequeme Dinge mit der Stimme
einer zwar nicht genau definierten, aber anscheinend großen Mehrheit
zu artikulieren, eine Technik, die besonders häufig in politischen
Fernsehinterviews, Wahlreden oder öffentlichen Erklärungen anzutreffen
ist. Wir-Aussagen können also eine Methode darstellen, um die eigene
Person unbemerkt zu stärken, eigene Meinungen und Wünsche durch
eine anonyme Autorität zu verkünden und sich trotz einer gegensätzlichen
Position unangreifbar zu machen.
Wir-Aussagen erfüllen aber auch eine
Harmonisierungsfunktion,
die jedoch zwei Seiten aufweist: Zielt das Harmoniebestreben darauf ab,
Gemeinsamkeiten zu fördern oder zu betonen, kann diese Technik im
Gespräch nutzbringend eingesetzt werden, um nur scheinbar eine Harmonie
zu erzeugen, obwohl in Wirklichkeit eine gegenteilige Ansicht hinter einem
sprachlichen Schutzwall verborgen wird: "Wir sollten das Ganze nicht dramatisieren
..."
Gegensätzliche Übereinstimmung
Gibt es eine "gegensätzliche Übereinstimmung!?
Natürlich nicht. Um so erstaunlicher ist es, wie häufig im Gespräch
formal mit der Technik des "Gegensatzes in der Übereinstimmung" operiert
wird.
Ein hübsches Beispiel dafür ist
die Anekdote, in der ein Neurochirurg auf die Frage, ob Subarachnoidalblutungen
grundsätzlich sofort operiert werden sollten, antwortet; "Ja, aber
nicht am Wochenende."
Die häufigste Form, Übereinstimmungen
auszudrücken, obwohl man gegensätzlicher Ansicht ist, sind Ja-aber-Formulierungen.
Es gibt eine ganze Reihe von Variationen dieser Technik:
"Sicher, doch ..."
"Das stimmt schon, aber ..."
"Völlig richtig, jedoch ..."
"Ganz genau, dennoch ..."
"Völlig einer Meinung, aber ..."
"Richtig, bloß ..."
Eine Ja-aber-Formulierung kann zulässig
sein, wenn grundsätzlich eine Übereinstimmung zwischen den Gesprächspartnern
besteht, der eine Partner jedoch auf eine sinnvolle Einschränkung
hinweisen oder darauf aufmerksam machen möchte, dass es begründete
andere Ansichten gibt. Beispiel:
Frage: "Halten Sie die Einführung
einer Geschwindigkeitsbeschränkung für zweckmäßig?"
Antwort: "Ja, aber mehr unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit
als der Umweltfreundlichkeit."
Ja-aber-Formulierungen werden jedoch viel
häufiger eingesetzt, um den Gesprächspartner durch die scheinbare
Zustimmung "ruhigzustellen" oder "mundtot" zu machen oder eine konträre
Ansicht auszudrücken, ohne sich in den "argumentativen Clinch" zu
begeben.
Linus
Geisler: Arzt und Patient - Begegnung im Gespräch. 3. erw. Auflage,
Frankfurt a. Main, 1992
©
Pharma Verlag Frankfurt
Autorisierte
Online-Veröffentlichung: Homepage Linus Geisler - www.linus-geisler.de
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